Melonensalat und Sommergeschichten
Es ist Sommer und es ist Salatzeit. Der griechische Bauernsalat mit saftigen und würzigen Tomaten, Gurken, Zwiebeln und dem pikanten Feta ist immer wieder ein kulinarischer Hochgenuss - gerade jetzt in der heißen Jahreszeit. Natürlich bietet die griechische Küche noch vielfältige Salatvarianten. Was aber eher selten in den Tavernen angeboten wird, sind Salate auf Basis von Wassermelonen.
Es ist Sommer und die Zeit der dicken Wassermelonen. Und es ist voll geworden auf der Insel. Fast täglich quält sich eine lange Schlange aus voll bepackten Autos und Lkws aus dem Bauch der „Blue Star Mykonos“ und verursacht regelmäßig auf der Hafenstraße in Karlovasi ein aufgeregtes Stop-and-go. Da hilft auch Hupen nicht. So wenig wie in den verstopften Straßen von Athen.
Hupen ist anscheinend so ein Sommerding. Seit die Athener Kennzeichen unser Dorf heimsuchen wird gehupt. Unsere Gassen sind eng, steil und kurvenreich und maximal von einem Auto passierbar. Also gibt man Signal, um anzuzeigen, dass man auf dem Weg ist und der mögliche Gegenverkehr zu warten hat. So die Theorie. Für uns Anwohner ist das irritierend, denn unsere fahrenden Händler bedienen sich auch dieses akustischen Signals.
Heute Morgen war in der Agios Triada kurz vor unserem Haus wieder so ein Gehupe. Ein nagelneuer Mini-Kabriolett kam von oben und von unten der schmale Pritschenwagen unserer Müllabfuhr. Der junge Mini-Fahrer stoppte genervt, hob die Hände vom Lenker, als wolle er ausrufen „Ich habe doch gehupt - Malaka!“ Die Müllwerker verzogen keine Miene, während der Jüngling empört auf seine Beifahrerin einredete. Die verfiel in beredtes Schweigen. Fluchend gab der Jüngling nach und stellte die Automatik auf Rückwärtsfahren. Dabei schaute er verzweifelt in das große Display neben dem Lenkrad, das voll in der Sonne lag. Das Bild der Heckkamera war wahrscheinlich kaum zu erahnen - vor allem nicht durch die dicke Sonnenbrille. Anscheinend hatte der junge Fahrer den Führerschein im Internet gewonnen und hielt die Außenspiegel für ein analoges Gimmick. Das Fahrzeug bewegte sich endlich etwas rückwärts und die Sensoren veranstalteten ein heftiges Piepkonzert. Die Müllwerker ließen eine Wasserflasche kreisen. Der Mini-Fahrer scheuchte die Beifahrerin aus dem Wagen. Das dünne Mädchen mit dem kurzen Kleidchen stolperte auf Plateausohlen hinter den Wagen und machte zögerliche Armbewegungen. Das Gepiepe und Gefluche entfernte sich nur schrittweise nach oben. Mittlerweile hatten sich weitere Fahrzeuge von beiden Seiten in diese merkwürdige Prozession eingereiht. Und weil es nur sehr langsam in eine Richtung ging, wurde hinten und vorne und von oben und unten fleißig gehupt.
In unserem Dorf sind über Nacht viele der leer stehenden Häuser wieder bewohnt. Es wird geputzt und geräumt und überall hört man ein heiteres „Καλώς ήρθατε“, den griechischen Willkommensgruß, gefolgt von neugierigen Fragen und ausführlichen Antworten: Wie war der Winter? Wie gehts den Kindern? Ach, die Großmutter ist gestorben - das ist aber traurig. Sie wäre bald Urgroßmutter geworden. Ach, wie schade. Ja, und diese Preise hier. Wir haben uns fast alles mitgebracht.
Auch der Pritschenwagen meines dicken Gemüsehändlers wird heftig umlagert und alle grapschen sofort nach den vermeintlich schönsten und frischesten Waren. Ein verschwitzter Mittdreißiger mit nacktem und schwabbeligem Oberkörper und einer beachtlichen Körbchengröße hat sich platzgreifend vor der Tomatenkiste breitgemacht. Er nimmt jede Tomate prüfend in seine schwitzigen Finger. Die als gut befundenen landen in einer grünen Plastiktüte, die er dem Händler vor die Nase hält. Dafür wolle er maximal zwei Euro zahlen, erklärt er mit einer erstaunlich hellen Stimme. Der Händler legt die schwere Tüte behutsam auf die Waage und schüttelt bedächtig den Kopf. Drei, sagt er ruhig. Das Riesenbaby echauffiert sich. Dafür würde er in Athen höchstens ein Euro zahlen. Der Gemüsehändler hebt kaum merklich die Schultern, schüttet die Tüte vorsichtig zurück zu den anderen Tomaten. "Αγοράστε τα στην Αθήνα." Dann kauf sie in Athen.
Die Tavernen und Restaurants sind auch merklich voller. Am Wochenende wird es an beliebten Plätzen ohne Vorbestellung schwierig. Schwierig und sehr beratungsintensiv sei diese spezielle Sommerkundschaft, erzählt ein befreundeter Gastronom. Die würden sich seine Tagesempfehlungen anhören, lange die mehrseitige Speisekarte studieren und dann garantiert nach etwas fragen, was darin nicht zu finden sei. „So sind sie!“
Auch das Publikum auf der Platia in Meseo Karlovasi hat sich verändert. Die Tische mit den fröhlichen Handwerkern gibt es nach wie vor. Aber die Studenten fehlen. Dafür trifft man nun häufiger auf größere Gesellschaften, deutlich modischer und städtischer gekleidet.
An einem Nachbartisch hat sich ein älteres Paar niedergelassen. Er trägt einen hellen Sommeranzug, dunkle Krawatte mit passendem Einstecktuch und einem weißen Hut. Seine Augen sind hinter einer überdimensionalen Sonnenbrille versteckt. Er sitzt wie eingefroren neben seiner Partnerin und verzieht keine Miene. Sie ist das Gegenteil. Ebenfalls elegant gekleidet und auffällig frisiert, begrüßt sie lachend und winkend andere Besucher der Platia. Sie scherzt mit Theodoris und gibt die Bestellung auf. Er hat sich noch keinen Millimeter bewegt und glotzt in meine Richtung. Ich setzte mich um und zeige ihm meine kalte Schulter. Nach einer geraumen Weile spricht mich die Dame vom Nachbartisch freundlich an, ob ich etwas dagegen hätte, wenn sie nach dem Essen eine Zigarette rauchen würde. Natürlich nicht. Wir sind ja draußen und über dem Handwerkertisch schwebt ständig eine blaue Wolke. Wir kommen in ein kleines Gespräch, während mich ihr Partner nach wie vor fast feindselig anglotzt. Mittlerweile hängt ihm eine große Serviette aus dem Hemdkragen, was ihn irgendwie harmlos und komisch aussehen lässt. Gerade als der Wirt den Nachttisch des Hauses, eine Platte mit roten Wassermelonenschnitzen auf den Tisch stellt, pupst der feine Herr laut und vernehmlich. Theodoris lacht und sie verdreht die Augen. Nur noch Essen und das - sie wedelt mit den Händen, als können man so etwas Unaussprechliches beschreiben - könne er noch. Während sie ihm die ersten Melonenstücke auf seinen Teller legt, die er sofort in sich hineinschiebt, erklärt sie mir, dass ihr Mann total dement sei. Er erkenne niemanden mehr - nicht mal sie und hat seit Anfang des Jahres kein Wort mehr gesprochen. Er sei hier in Meseo geboren und aufgewachsen. Die alte Villa befände sich nur ein paar Minuten von hier. Seit über 50 Jahren hätten sie hier ihre Sommer verbracht. Ihre Gesichtszüge entspannen sich, viele Lachfältchen umspielen ihren Mund. „Es waren schöne Jahre und schöne Sommer!“ Sie wiegt leicht mit dem Kopf, als wolle sie etwas abschütteln. Damit sei aber nun endgültig Schluss. Im September bezögen sie gemeinsam ein Pflegeheim in Athen. Sie könne ihn ja nicht allein lassen. Gerade ist das letzte Stück Melone von seinem Teller verschwunden und er schaut wieder durch mich hindurch.
Eine frisch aufgeschnittene Wassermelone ist besser und allemal gesünder als jeder Softdrink. Diese herrliche Frucht lässt sich aber auch zu einem erfrischenden Sommersalat verarbeiten. Diesen Salat kann man einfach und schnell selbst zubereiten, z. B. mit einer Zwiebel, Gurke und Paprika. Die Zutaten sind gerade sehr preiswert und es gibt sie zurzeit an jedem Gemüsestand. Die Melone sollte fest und kühl sein. Die Gurken nur in grobe Steifen schälen, damit das pikant Bittere der grünen Schale etwas erhalten bleibt. Man würzt mit Pfeffer, Salz, frischem, klein geschnittenem Basilikum. Essig oder Zitrone verträgt sich nicht so gut mit der feinen Süße der Καρπούζι. Aber gutes Olivenöl darf natürlich nicht fehlen. Καλή όρεξη