Wie vermeidet man Flieg- und Krabbeltiere im Haus

Sie war schon bei der Bauabnahme dabei. "Kαλό ζώο" - ein nützliches Tier, kommentierte einer der Handwerker unsere zweifelnden Blicke. Eine große fette Spinne beäugte uns von einer frisch lackierten Flurdecke. Die fängt euch lästiges Ungeziefer weg, ergänzte der Elektriker, während er den nagelneuen Sicherungskasten checkte und mit seinem Phasenprüfer bedeutungsschwer nach oben wies.

Auf das Thema der unerwünschten Mitbewohner machte uns unser Bauleiter schon in der Planungsphase aufmerksam. Wir wollten z. B. einige der altern Holzfenster mit ihren Lamellen-Fensterläden erhalten. Manolis schüttelte resolut den Kopf, zitierte uns auf den Balkon und zeigte in den grünen Dschungel, der sich unterhalb unseres Hauses in ein Tal erstreckt. "Was, glaubt ihr, wo ihr wohnt?" Er lies eine theatralische Pause verstreichen, um uns dann unmissverständlich klar zu machen, dass wir das Haus nach außen dichtmachen müssen. Das bedeute komplett neue Außentüren und Fenster. Alle Fenster müssen mit einem Insektenschutzgitter ausgestattet sein. Zudem müssen die Außenmauern des Hauses in der ersten Bauphase abgekärchert werden, um so im Hausinneren mögliche Risse oder Öffnungen aufzuspüren, die dann unverzüglich mit Spezialmörtel abgedichtet würden. Auch die Böden im Untergeschoß müssen alle mit Beton und Fliesen neu versiegelt werden. Da das Abwassersystem neu installiert werden müsse, würden auch entsprechende Filter verbaut. Seine Hand wies immer noch auf das grüne Tal. "Ihr möchtet nicht wissen, was da alles kreucht und fleucht."

Einige Wochen später wurde uns Manolis Ahnung vor Augen geführt. Der nachträglich am Haus angebaute Sanitärbereich war marode und musste komplett erneuert werden. Unter einer abgehängten Plastikdecke fanden die Arbeiter zwei aufgegebene Hornissennester. Eines der kunstvollen Gespinste war so groß wie zwei Fußbälle. Es wurde später von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter einer naturhistorischen Sammlung abgeholt. Da muss es auf dem stillen Örtchen unserer Vorbesitzer ordentlich gesummt und gebrummt haben.

Im Nachhinein waren und sind wir für Manolis professionelle Umsicht sehr dankbar. Auch in unserm Umgang mit der Haustechnik und der Belüftung wurden wir dadurch sensibilisiert. Aber trotz aller Vorkehrungen verirren sich täglich und vor allem zur Nacht noch viele Flieg- und Krabbeltiere ins Haus, die wir dann behutsam wieder nach draußen befördert werden - wenn sie nicht vorher Adelheid, unserer Hausspinne, zum Opfer fallen. Dank Internet konnten wir Adelheid der Familie der Riesenkrabbenspinnen, lat. Eusparassus walckenaeri, zu ordnen. Die Weibchen dieser Art erreichen eine Beinspannweite von etwa 11 cm.

Eigentlich hatten wir unserer Fangspinne Männerbesuch untersagt. Aber anscheinend hielt sich unsere Untermieterin nicht daran. Vor einigen Tagen verkroch sie sich ausgerechnet ins Schlafzimmer und verbarrikadierte sich in einer Wandecke in einen selbstgesponnenen Kokon. Nach wenigen Klicks im Internet war uns klar, was das zu bedeuten hatte. Adelheid wollte uns mit einigen Hundert kleiner Adelheids beglücken.

Das war im Untermietvertrag natürlich nicht vereinbart und zog eine sofortige Kündigung nebst Rauswurf nach sich. Leichter gesagt als getan. Unsere Decken sind 3,2 m hoch und Adelheid verdammt schnell. Der erste Versuch lief auch Komplet aus dem Ruder. Wir wollten sie unter einem großen Glas dingfest machen und dann nach draußen bugsieren. Doch Adelheid verschwand blitzschnell unter unserem Bockspringbett. Trotzdem wir das Bett und die Unterkonstruktion auseinandernahmen, blieb Adelheid verschwunden. Aber am nächsten Morgen hockte sie wieder wie selbstverständlich in ihrem Kokon. Wir starteten einen neuen Versuch. Im Zeitlupentempo näherten wir uns der Spinne im Gespinst und wischten beide vorsichtig mit einem weichen Tuch in eine Plastiktüte. Danach wilderten wir Adelheid und ihre neue Kleinfamilie in dem grünen Dschungel gegenüber unserer unteren Gasse aus. 

Damit war für uns die Angelegenheit erledigt. Nicht aber für Adelheid. Eine Stunde später hatte sie eine Schwachstelle im Insektengitter der Kellertür ausfindig gemacht und war gerade im Begriff, sich ihr verlorenes Mietobjekt wieder anzueignen. Aber nicht mit uns. Mit Besen und Kehrblech machten wir ihr unmissverständlich klar, das das Mietverhältnis beendet ist und verwiesen sie - hoffentlich endgültig - in die angrenzende grüne Wildnis.

Nachtrag 1

Adelheid ist bislang nicht wieder aufgetaucht. Dafür hat plötzlich und unerwartet eine Armee von kleinen Ameisen unsere Küche heimgesucht. Sie hatten eine feine Ritze in der Marmoreinfassung unseres schönen Küchenmosaiks ausgenutzt. Was tun, um den Angriff der Mini-Monster abzuwehren? Unser Nachbar Thanasis, der Schwiegervater von Maria zur Linken, schiebt die Mütze nach oben und kratzt sich am Ohr. „Wenn du eine erschlägst, kommen 100 zur Beerdigung.“ Er kichert in sich hinein und schiebt sich die Mütze wieder in die Stirn. Er gibt uns in seiner bedächtigen Art erstaunliche Tipps. Natürlich müssen wir die Ritze schließen. Mit Silikon, Mörtel oder einer Spachtelmasse? Er schüttelt den Kopf. „Tρώνε“ - das fressen sie im Zweifel. Aber was fressen sie nicht? Etwas, was intensiv riecht und scharf schmeckt und jeder zu Hause hat. Thanasis grinst und gibt uns Rätsel auf. Terpentin oder Rasierwasser? Nicht schlecht, lacht er - aber mach damit mal die Ritzen dicht. „Πάρε οδοντόκρεμα“ - nimm Zahnpaste am besten weiße. Aber er hat auch noch einen Pro-Tipp auf Lager. Wir sollen vorher die Ritze und die Umgebung mit dem Kriechöl WD-40 einsprühen und abreiben. Das würde die Duftspuren der Botschafter-Ameise nachhaltig zerstören. Tatsächlich - die Armeen sind verschwunden.

Nachtrag 2

Leider hatten dir Tipps von Thanasis schon nach kurzer Zeit ihre Wirkung verloren und unsere Küche und das Badezimmer wurden von den Mini-Monster wieder überrannt. Wir bugsierten einige Exemplare in ein Pillenfläschchen und fuhren damit zu Adonis Pariavopoulos, der mit seinem Bruder Nikolas in Neo Karlovasi ein Pflanzenladen mit angedockter Tierarztpraxis betreibt. "Ωχ - οι Αιγύπτιοι" (Oh - Ägypter) kommentierte Adonis unsere Gefangenen. Wir hatten es mit Pharaoameisen zu tun und die könne man nicht mit konventionellen Mitteln zu Leibe rücken. Er empfahl uns ein Fraßgift, das sich in einer verschlossenen Plastikbox befand und durch herausgebrochene Öffnungen nur von den Ameisen zu erreichen war. Wir platzierten das unscheinbare Ding direkt an einer Aufmarschstraße an der Balkontüre und schon nach ein paar Stunden war der Spuk vorbei. Und wenn Thanasis wieder mal vorbei kommt, haben auch wir einen Pro-Tipp für ihn.

Fotos: Walter Schoendorf - Samos 2022

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