tischlerei

You Can't Always Get What You Want

Zugegeben, das hatten wir uns einfacher vorgestellt. Während unserer vielen Urlaube sind wir immer wieder auf alte Möbelstücke gestoßen, die verlassen am Wegesrand oder neben Mülltonnen abgestellt waren. Teilweise sehr schöne Objekte, die man mit etwas Leim und Farbe zu ansehnlichen und brauchbaren Schmuckstücken restaurieren könnte.

Als wir Anfang des Jahres auf die Insel kamen, waren alle ausrangierten Möbelstücke am Wegesrand verschwunden. Es war wie verhext. Wir fuhren durch die Dörfer und fragten nach alten Möbeln, nach Tischen, Schränken oder Kommoden. Bedauerndes Achselzucken oder ein freundliches Kopfschütteln. Immer waren wir irgendwie zu spät oder das, was noch da war, fiel schon beim Hingucken in sich zusammen. In Stavrinides entdeckten wir ein verlassenes Haus mit altem - so weit wir das von außen beurteilen konnten - gut erhaltenem Mobiliar. Leider ließen sich die Besitzverhältnisse nicht klären. Die Bewohner waren verstorben und die Erben waren entweder unbekannt, nach Australien ausgewandert oder interessierten sich einfach nicht für den Plunder. Schwierig.

"Υπομονή!" Wir sollten Geduld haben, ermahnte uns der erfahrene Sammler und Restaurator Apostolis vom Hippys. „Die Möbel kommen irgendwann zu euch.“ 
Er gab uns auch den entscheidenden Tipp, mit dem er uns in die nächste Verwirrung schickte. Warum wir uns denn die Möbel nicht einfach anfertigen lassen würden. Er kenne da einen hervorragenden Tischler.

Bislang hatten wir einige Möbelstücke über eine Beiladung nach Samos expedieren lassen. Eine hervorragende Matratze und einige brauchbare Balkonmöbel fanden wir in einem hiesigen Möbelgeschäft. Aber uns individuelle Möbel vom Tischler anfertigen zu lassen, lag jenseits unserer Vorstellungskraft und finanziellen Mittel. Dachten wir.

Aber da lagen wir falsch. Es gibt zwar einige Möbelläden und das ferne schwedische Möbelhaus in Athen, bei dem man sich im Onlineshop frustrieren lassen kann, weil das, was man gefunden hat, gerade nicht auf Lager ist oder in der Athener Filiale abgeholt werden muss.

Das mit den Möbeln, wie auch mit vielen anderen Dingen funktioniert hier auf der Insel anders. Frag deinen griechischen Freundeskreis, wer dir einen Handwerker empfehlen kann und du wirst mehr Tipps bekommen, als du Finger an beiden Händen hast. Das ist zwar jetzt kein amtliches geflügeltes Wort, könnte aber noch eines werden. ;) 
Fast für jedes Dorf hier im Norden haben wir nun eine Empfehlung für einen erstklassigen und bezahlbaren Tischler - nebst Telefonnummer. Das haben wir ausprobiert.

Als Erstes haben wir uns einem Meister aus Ambelos anvertraut. Neben einigen Holzarbeiten im Innenausbau haben wir uns von ihm einen massiven Tisch mit einer beeindruckenden Platte aus heimischem Kastanienholz bauen lassen. Eine echt tolle Arbeit. Nur in der Lackierung der Unterkonstruktion und der Bemaßung hatte er seine künstlerischen Freiheiten etwas überzogen. Das Untergestell haben wir neu lackiert. Aber mit einer Tischhöhe von 80 Zentimetern müssen wir anscheinend noch mit wachsen oder uns zwischenzeitlich mit Stuhlkissen behelfen. Den Tisch hat er in Rekordzeit geliefert. Die kleineren Umbauarbeiten wollte er etwas später bewerkstelligen. Darauf warten wir heute noch. Immer wenn wir den Meister aus Ambelos zufällig treffen oder wenn er tatsächlich mal an sein Handy geht, kommt immer die gleiche Vertröstung: „Στο τέλος του μήνα.“ Zum Ende des Monats. Nur zu welchem, sagt er nie.

Auf der Rückseite unseres Hauses teilen wir uns mit unserer Nachbarin Maria zur Rechten eine versteckte Gasse mit einem schnuckeligen Außenbereich. Ein idealer Platz, um sich abends mit Nachbarn oder Freunden zu einem Gläschen zu treffen oder um draußen zu arbeiten. Und dafür benötigten wir natürlich auch noch einen Tisch - möglichst stabil und wetterfest. „Καρέκλες“, die typisch griechischen Holzstühle hatten wir bereits aus einem Lager einer aufgegeben Taverne erstanden und umlackiert. Das Untergestell des Holztisches sollte 50 auf 50 Zentimeter werden. Darauf wollten wir eine Marmorplatte mit der Bemaßung von 85 auf 65 und der Dicke von zwei Zentimetern legen.

Dank unserer Freunde ist unsere Liste an Tischlern lang und wir entschieden uns nun für Argyris aus Kontakaika. Wir kannten seine Arbeiten aus einer Strandbar, was die Bestellung erheblich vereinfachte.

Die Tischplatte sollte aus samiotischen Marmor sein. Auch dafür hatten wir einen Tipp: Das Lager von Nikos am Ende der Kanari, der langen Küstenstraße, die Hafen mit Neo Karlovasi verbindet. Das war eine reichlich ungefähre Ortsangabe und wir brauchten mehrere Versuche, bis wir das Lager endlich gefunden hatten. Nikos war leider nicht da. Nur seine alte Mutter, die Wächterin der steinernen Schätze, begrüßte uns freundlich. Sie ist leider schwerhörig und fast blind.


Beim zweiten Anlauf trafen wir den drahtigen und steingrauen Nikos an und suchten fanden mit ihm ein passendes Stück. Er wollte es passend zuschneiden, die Kanten abschleifen und uns noch am gleichen Abend vorbei bringen. Was er dann auch tat. Wir sind immer noch von diesem Stück begeistert - vor allem zu diesem Preis. Und das Maß stimmt auf den Millimeter.

Das können wir von Argyris Tisch nicht behaupten. Als wir den Tisch mit der bestellten quadratischen Grundfläche abholten, war er etwas Rechteckiger ausgefallen. Was allerdings nicht schlimm ist, denn er passt so besser zur Marmorplatte. Da hatte der Meister aus Kontakaika anscheinend mitgedacht. Das Untergestell ist solide und stabil gebaut und wurde von uns zu Hause weiß lackiert. Beim Streichen hörten wir „You Can't Always Get What You Want“ von den Stones. Aber wir hatten es immerhin versucht!

Fotos: Walter Schoendorf - Samos 2022

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