Wie man Hausbesitzer:in auf Samos wird.

Es sollte die Woche der Entscheidung werden und sie war extrem eng getaktet. Nach dem Chaos mit Condor hatten endlich ein Flug mit Transavia via Amsterdam gebucht und landeten am Montagmorgen planmäßig gegen 10 Uhr auf Samos. 

Mit dem gebuchten YES-Auto gondelten wir nach Karlovasi und parkten am Hafen. Nein - wir fuhren nicht geradewegs nach Paleo. Wir wollten uns der Sache langsam nähern. Zudem war es Mittag und wir übernächtigt und kaputt von der Reise. Wir schlenderten schnurstracks zur Plata in Meseo und gönnten uns im Dionissos bei unserem Freund Dimitris eine kleine kulinarische Zwischentherapie. Nach einem köstlichen Mittagessen und nach zwei Halben waren wir wieder so weit regeneriert, dass wir einen Spaziergang über die Agios Apostolon hinauf nach Paleo wagen konnten. Wir waren ganz schön aufgeregt. Nach fast fünf Monaten sollten wir unsere "Hütte" mit eigenen Augen sehen. Wir nannten sie "Hütte", damit unsere aufgeladenen Erwartungen im Falle einer Enttäuschung etwas abgefedert werden sollten. Aber die Hütte enttäuschte uns nicht. Im Gegenteil. Das milde Spätnachmittagslicht und die friedliche Stimmung in Paleo trugen ihren Teil dazu bei. Wir beschauten erst die Vorderseite von der Gasse und schlichen dann den verträumten Weg zur Rückseite und zu den Obstterrassen. Wir saßen dort lange im Schatten eines Orangenbaums und konnten es kaum fassen.

Am Dienstagmorgen stand der vielfach verschobene Termin mit der Maklerin auf dem Programm. Endlich sollten wir auch die Hütte von innen bestaunen können. Und da bekamen wir einen kleinen Dämpfer. Nicht wegen der Maklerin, Evdokia Malanou war sehr angenehm und für ihre Profession erstaunlich zurückhaltend. Was uns zunächst etwas irritierte, war der Zustand des Innenlebens. Es schien, als ob seine Bewohner die Hütte gerade fluchtartig verlassen hatten. Bettwäsche war noch nicht abgezogen, in der Spüle stapelte sich schmutziges Geschirr und im Badezimmer warteten noch Zahnbürsten und ein Nassrasierer auf die "Geflohenen". 
Noch schlimmer sah es im unteren Geschoss aus, das wir nur umständlich über die Gasse und den hinteren Weg erreichen konnten. Zentimeter hoch lag dort Staub und Dreck auf teils schrottigem, teils fast antikem Hausrat. Mit einem gemütlichen Atelier hatte dieser Raum wenig gemein. Meine Euphorie wurde von Zweifeln angenagt und meine Stimmung war etwas getrübt. Aber nicht die meiner Frau. Sie ist Innenarchitektin und hat schon so manche Scheußlichkeit gesehen. In ihren Vorstellungen sieht sie bereits die Zukunft eines Objektes, was möglich ist und wie man das Mögliche gestaltet. 
Wir signalisierten der Maklerin unser Interesse und sagten ihr zu, uns diese Woche noch zu entscheiden. Nun benötigten wir dringend einen Ortswechsel. Die Platia in Meseo ist der ideale Ort, um die vielen Eindrücke zu verdauen und im langen Gespräch zu wenden. 

Am Mittwoch, dem dritten Tag, hatten wir eine Verabredung mit unserem Freund Manolis, einem bekannten Bauingenieur in der Region Karlovasi. Er würde die Hütte auf Herz und Nieren, auf die Statik und vor allem auf eventuelle Erdbebenschäden untersuchen. Mano störte sich nicht an der chaotischen Inneneinrichtung. Er trat den Plunder beherzt zur Seite, um mit dem Hammer Putz und Wände zu untersuchen. Mit den alten Steinwänden und der statischen Struktur war er sehr zu frieden und lobte die nachhaltige und hochwertige Bauweise. Dagegen missfielen ihm viele nachträgliche an- und eingebauten Verschlimmbesserungen wie das Badezimmer, die vergammelten Wasserleitungen und die marode Elektrik. Für eine endgültige Einschätzung erbat er sich etwas Bedenkzeit. Schließlich war er unser auserkorener Bauunternehmer, der das Projekt für uns umsetzen sollte. Wir verabredeten uns für Freitagvormittag. Dann wollten wir über das, ob und vor allem auf die zusätzlichen Kosten für den Umbau und die Renovierungen reden. Schauen wir mal.

Es war Zeit für ein wenig Urlaub und Entspannung. Den Donnerstag verbrachten wir am ruhigen Strand von Avlakia und bei einem exzellenten Dinner im Kosmos.

Als Vorbereitung auf den Freitag hatte meine Frau schon Skizzen zum Umbau vorbereitet, dem Durchbruch nach unten und die Öffnung des Wohn-Küchenbereiches. Das Meeting startete pünktlich um 11 Uhr an einem großen weinbeschatteten Tisch in der Anlage unseres Studios. Auch Manolis war gut vorbereitet. Anscheinend hatte er sich in der Zwischenzeit mit der Umgebungsstatik um das Objekt beschäftigt. Die Häuserzeile auf der Agios Triados sei auf massivem Fels gebaut und damit gegen Erdbebenschwankungen oder auch Erdrutsche gut gesichert. Er skizzierte uns die Lage und die speziellen statischen Besonderheiten. Unser geplanter Wanddurchbruch, die Öffnung ins Untergeschoss und den Balkon wollte er mit einer Konstruktion aus Stahlträgern im Keller und den Vorratskavernen versteifen. Der später angebaute Sanitärtrakt machte ihm die größten Sorgen. Am besten wäre es, ihn abzureißen und neu zubauen. Aber dafür bräuchte man eine Baugenehmigung, denn in der engen Bebauung von Paleo könnte es Probleme mit dem Nachbarschaftsrecht geben.
Wir hätten gerne die alten Holzfenster und Türen behalten, aber davon wollte Manolis nichts wissen. Sie seien marode und an vielen Stellen undicht. "Ihr lebt hier nahe an und mit der Natur. Da muss ein Haus nach außen dicht sein, ihr wollt doch keine krabbelnden oder fliegenden Untermieter?" Wie Recht er hatte, konnten wir ein paar Monate später während des Umbaus selbst erleben. Die Bauarbeiter hatten beim Abriss einer Kunststoffverkleidung im Badezimmer ein verlassenes, gigantisches Hornissennest entdeckt. Das Gespinst hatte das Volumen eines Kopfkissens und wurde später einem Insektenforscher übergeben, der es in seine Sammlung aufnahm.

Am Ende unserer langen und intensiven Besprechung stand dann eine Summe plus eines zusätzlichen Überraschungspuffers. Man weiß nie, was man da hinter einem Wandputz oder unter einer Decke erwartet, mahnte Manolis immer wieder. Ok, wir waren uns einig. Hand drauf. Und wie sollte es nun weitergehen? Wie sollten wir das mit dem Kauf oder einem Vorvertrag hinbekommen? Es war mittlerweile Freitagnachmittag und am Montagmorgen mussten wir zurückfliegen. Das brachte Manolis nicht aus der Ruhe. Er wollte wissen, ob wir im Besitz gültiger Papiere wären - er meinte unsere Personalausweise. Gut, dann würden wir uns heute Abend gegen 8 bei Georgios treffen. Er schrieb uns einen Namen und eine Adresse auf und verschwand winkend.

Am Freitagabend waren wir pünktlich um 8 Uhr an der Adresse. Es war ein kleines Ladenbüro in der Nähe der Platia von Neo Karlovasi. Manolis wartete schon auf uns und stellte Georgios als einen Rechtsanwalt vor. Wenn mit Georgios einverstanden wären, könne es losgehen. Waren wir. Danach schleppte uns Manolis zwei Gassen weiter in ein anderes Ladengeschäft. Das war ein Steuerbüro. Eine nette ältere Dame bat uns, Platz zu nehmen, hörte sich unsere Anliegen an und erfasste unsere Daten in ihrem PC. Nach einer halben Stunde hatten wir unsere AFM, unsere griechische Steuernummer. 
Wir wanderten zurück zu unserem neuen Anwalt, der uns sogleich zwei Gassen weiter zu einer Notarin lotste. Auch hier wurden wir freundlich empfangen. Sie fand unser Vorhaben, in Paleo ein Haus zu erwerben und instand zusetzen großartig. Ihr Auftrag war es nun, ein Dokument aufzusetzen, dass unseren Rechtsanwalt Georgios bevollmächtig den Kauf und alles, was dazu gehört, in unserem Namen abzuwickeln. Nach einer weiteren halben Stunde wurde das Dokument gestempelt, besiegelt und von uns unterschrieben. Wir bezahlten eine kleine Gebühr und zogen mit dem wichtigen Papier zu Georgios. Er war nun unser Bevollmächtigter und konnte in unserem Namen den Kauf abwickeln. Das wars fürs Erste. Mein Handy klingelte. Im Stenaki wartete Manolis mit Freunden. Wir hatten schließlich was zu feiern!

Am Samstagvormittag trafen wir noch etwas übernächtigt unsere Maklerin Evdokia Malanou zu einem Kaffee auf der Platia in Meseo. Wir zeigten ihr unsere neuen Dokumente, die Steuernummer und die Vollmacht für Georgios. Mit ihm arbeite sie gerne zusammen, da gäbe es nie Probleme. Es war uns noch wichtig, dass ein Passus in den Kaufvertrag eingefügt werden sollte, der den Verkäufer dazu verpflichtet, im Objekt alle bewegliche Teile zu entfernen. Kein Problem, wird so gemacht. Wir besiegelten den Kauf mit Handschlag und verabschiedeten uns mit einem Kαλό καλοκαίρι. Die Woche war wie im Flug vergangen und die Entscheidung gefallen.

Fotos: Walter Schoendorf - Samos 2022

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