Wie man gefahrenfrei zu einem Auberginen-Auflauf kommt.
Mit Auberginen hatte ich so meine Probleme. Immer schon. Die dunkelvioletten, matt schimmernden Keulen sind ästhetisch beeindruckend. Aber im Essen schmeckten sie bitter, waren von einer eigenartigen, pelzigen Konsistenz und lagen mir wie ölgetränkte Krokodile im Magen. Das hat sich geändert. Mittlerweile liebe ich die Dinger. Und Schuld daran ist "Ο χοντρός", der Dicke.
Der Dicke ist mein Lieblingsgemüsehändler. Mehrmals die Woche rumpelt er mit seinem Pritschenwagen durch die engen Gassen unseres Dorfes. Er nervt nicht mit übersteuerter griechischer Volksmusik, sondern macht mit dem Lautsprecher eine knappe Ansage seines aktuellen Angebotes und hupt kurz auf Höhe der Häuser seiner Kunden. Mittlerweile auch bei uns. Man muss sich nicht beeilen. Es dauert, bis der "Xοντρός" seinen voluminösen Körper aus dem Führerhaus gezwängt hat. Die mächtigen Unterarme auf die metallene Abdeckung der Ladefläche gelehnt, wartet er Tiefen entspannt auf Kundschaft. Er ist der Buddha unter den Gemüsehändlern. Plaudern gehört nicht zu seinen Stärken. Mehr als ein kurzes "Καλημέρα" und zum Ende der Preis entspringt nicht aus dem Mund unter dem mächtigen Schnauzer. Der Dicke ist Meister der diskreten Gesten und einer ausgefeilten Mimik. Ist man zum Beispiel bei der Auswahl der Wassermelonen überfordert und klopft laienhaft auf die Fußbälle, als könne man so eine geheime Schwingung erspüren, die auf Qualität und Süße schließen lässt, sollte man besser auf die Hände des Dicken achten. Zeigt der abgespreizte kleine Finger der linken Hand auf ein unscheinbares, vielleicht nicht ganz so prachtvolles Exemplar - nimm dieses. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln zeigt sich unter dem Schnurrbart und der Meister verpackt zufrieden die Ware in eine viel zu dünne Plastiktüte. Und bislang waren wir mit seinen diskreten Hinweisen immer sehr gut beraten.
Seit einigen Wochen bietet er nun auch diese schwarzvioletten Früchte an. Malerisch, schön und unverschämt günstig. Zielsicher griff ich bislang immer daran vorbei, ignorierte die Auberginen und entschied mich für andere Ware. Und dann passierte es letzten Samstag. Aus dem Mund unter dem Schnäuzer entfuhr ein neues Wort, ein Wort, wie eine Frage: „Μελιτζάνες“? Sein sanfter Blick ruhte auf mir und den prächtigen Auberginen. Auf meinem Gesicht spiegelte sich wahrscheinlich verzweifelte Hilflosigkeit, die schon in Richtung Ablehnung driftete. Nun passierte noch etwas völlig Unerwartetes. Der Dicke richtet sich auf, schaute nach rechts und links, ob keine störende Kundin im Anmarsch sei, beugte seinen mächtigen Oberkörper zu mir herüber und begann mit leiser und dunkler Stimme zu sprechen, während er eine Aubergine in seine linke Pranke nahm. „Du musst sie erst zum Weinen bringen und dann die bitteren Tränen mit einem Tuch abtrocknen.“ Gut, dass ich meinen eigenen Gesichtsausdruck in diesem Moment nicht sehen konnte. Ich zweifelte, ob ich überhaupt noch der griechischen Sprache mächtig war oder sich mein innerer Übersetzer verabschiedet hatte. Der Dicke fuhr geduldig fort. Er zerschnitt die Frucht in seiner Linken mit einem imaginären Messer in Scheiben, bestreute diese mit imaginärem Salz.“Σαν χιόνι“ wie Schnee, betonte er. Dann müsse ich eine halbe Stunde warten, dabei legte er die Aubergine wieder auf den Stapel und hielt beide Handflächen beschwörend nach unten. Wenn die Früchte ordentlich geweint hätten, solle ich die Tränen mit einem Tuch gut trocknen und auf keinen Fall abwaschen.
Er nahm unvermittelt wieder seine stoisch freundliche Haltung ein und lächelte sein sibyllinisches Lächeln unter dem Schnauzer. Ich kaufte Auberginen, Tomaten und einen Sack mit dicken Kartoffeln. Damit wollte ich meinen ersten Auflauf mit dieser seltsamen Frucht probieren.
Zu Hause befragte ich sicherheitshalber Dr. Google, was es mit diesen "Tränen" auf sich hat. Und siehe da: Auberginen enthalten Bitterstoffe wie die Alkaloide Solanin und Anatabin, die in großen Mengen zu Übelkeit und Erbrechen führen können. Durch Entwässern mittels Salz kann man diese Stoffe der Frucht entziehen. Respekt, "Ο χοντρός" - mein Lieblingsgemüsehändler!
Das Rezept für den Auberginen-Kartoffel-Tomaten-Auflauf ist denkbar einfach:
Die Auberginen, wie vom Gemüsehändler beschrieben, in Scheiben schneiden, mit Salz bestreuen und zum Heulen bringen. In der Zwischenzeit die Kartoffeln schälen, ebenfalls in Scheiben schneiden und waschen. Auch die Tomaten werden gewaschen und geviertelt.
Wenn die Auberginen ausgeheult haben, kommen sie in ein sauberes und trockenes Küchentuch und die bräunlichen Tränen werden darin ausgedrückt. Wenn die Scheiben einigermaßen trocken sind, werden sie kurz in einer Pfanne mit Olivenöl angebraten und kommen anschließend zusammen mit den Kartoffelscheiben auf das geölte Auflaufblech.
Danach reichlich Zwiebeln und etwas Knoblauch zerkleinern und in der gleichen Pfanne bei mäßiger Hitze anbraten, bis die Zwiebeln glasig werden. Dazu kommen dann die Tomatenviertel. Deckel drauf und warten, bis die Tomaten ihre Flüssigkeit abgegeben haben.
Nun kann man ein Lorbeerblatt oder etwas Brühe dazu gegeben. Diese Masse geben wir ebenfalls auf das Blech, durchmischen alles unter Beifügen von Salz, Pfeffer und dem guten Petreonas-Olivenöl von Kostas. Das Gesamtwerk kommt nun in einen auf 180 Grad vorgeheizten Backofen und sollte bei Umluft in einer guten Stunde fertig sein. Genug der Tränen.